"Digitalisierung" und "Künstliche Intelligenz" sind Schlagworte der Gegenwart und Zukunft. Kaum ist die Verwaltung durchdigitalisiert, bahnt sich mit der Künstlichen Intelligenz, kurz „KI“, bereits die nächste Revolution in den Unternehmen und Verwaltungen im Lande an. Nordrhein-Westfalen soll dabei, nach den Vorstellungen der Landesregierung, das „KI-Land Nummer 1“ werden. Auch der Öffentliche Dienst wird sich im Rahmen seiner Modernisierung hierbei in die Zeit stellen müssen. Das NRW Magazin sprach mit dem Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnik (CIO) Daniel Sieveke, der zugleich auch Staatssekretär im Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen ist.
NRW Magazin: Die öffentliche Verwaltung ist Dienstleister für die Allgemeinheit. Ihre Qualität ist ein maßgeblicher Standortfaktor in NRW. Bürgerinnen und Bürger, Unternehmen und gesellschaftspolitische Akteure haben den Anspruch, dass ihre Anliegen schnell und effizient aufgenommen und behandelt werden. Durch eine konsequente Digitalisierung der Verwaltungsprozesse der Umgang mit Behörden für alle Bürgerinnen und Bürger so einfach, sicher und effizient wie möglich sein. Wie würden Sie kurz den aktuellen Stand der Digitalisierung der Verwaltung nach innen und nach außen beschreiben, Stichwort „E-Government“?
Staatssekretär Daniel Sieveke: Bei der Digitalisierung der Verwaltung in Nordrhein-Westfalen gilt unser oberstes Interesse immer den Bürgerinnen und Bürgern von Nordrhein-Westfalen – Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern soll größtmöglichen Nutzen bringen. Daher müssen wir die Digitalisierung Ende-Zu-Ende denken und umsetzen. Der Schlüssel dazu ist das Digitale Bürgeramt – denn die Kommunen sind der größte Kontaktpunkt für die Bevölkerung. Daher sollte die Digitale Transformation im Besondern in der kommunalen Verwaltung spürbar sein. Die Landesregierung hat sich in den vergangenen Jahren verstärkt darauf fokussiert, den Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen die Interaktion mit den Behörden zu erleichtern und die Kommunen bei der Digitalen Transformation zu unterstützen. Viele interne Standardprozesse – wie beispielsweise die Arbeit mit Akten und Laufmappen – laufen mittlerweile digital und somit beschleunigt ab. Außerdem arbeiten wir an der Etablierung moderner Technologien wie Cloud-Computing, Low-Code und Künstlicher Intelligenz. Gesamtheitliches Ziel sind nutzerfreundliche, datenschutzkonforme und sichere Anwendungen für unsere öffentliche Verwaltung, die spürbare Mehrwerte nach außen und innen schaffen. Weitere Schwerpunkte unserer Arbeit liegen vor allem auf der IT-Standardisierung, der Erhöhung der IT-Sicherheit, dem Aufbau von Digitalkompetenz, der weiteren Harmonisierung der IT-Landschaft und einer besseren föderalen Zusammenarbeit bei der Digitalisierung. Bei der Digitalisierung der Verwaltung wollen wir weg vom digitalen Klein-Klein. Denn gemeinsame digitale Lösungen helfen uns dabei, einfach und effizient zum gemeinsamen Ziel zu kommen. Der Einsatz der Landesregierung wird für die Kommunen spürbare Entlastungen mit sich bringen und mit den nordrhein-westfälischen Kommunen weiterhin intensiv zusammenarbeiten.
NRW Magazin: Rund um die Anwendungssoftware „Microsoft 365“ und die Nutzung in Unternehmen und Verwaltung gibt es immer wieder Diskussionen über Daten-schutz und Datensicherheit, wenn sensible Daten der öffentlichen Verwaltung auch in Rechenzentren außerhalb Deutschlands oder der EU verarbeitet werden. Für einen rechtmäßigen Datenexport in die USA gebe es, nach landläufigen Meinungen, aufgrund des Geschäftsmodells von Microsoft keine denkbaren ausreichenden Schutzmaßnahmen. Ist unter diesen Gesichtspunkten die Anwendung und der Einsatz online-basierter Softwarelösungen für die öffentliche Verwaltung grundsätzlich rechtlich wasserdicht möglich?
Staatssekretär Daniel Sieveke: Souveränität und Sicherheit gehören bei der Digitalisierung der Verwaltung untrennbar zusammen. Denn gerade die Öffentliche Verwaltung verfügt über einen immensen Datenschatz – der leider auch immer wieder von außen angegriffen wird. Daher gelten bei der Verwaltungsdigitalisierung hohe Ansprüche an den Datenschutz und die Informationssicherheit. Zur Beantwortung der Frage muss zwischen Datenschutz und der Informationssicherheit unterschieden werden. Beim Datenschutz betrachten wir ausschließlich personenbezogene Daten, die Informationssicherheit hingegen dient dem Schutz aller aus Sicht der Organisation schützenswerten Daten.
Die Datenschutz-Grundverordnung ermöglicht grundsätzlich unter bestimmten Voraussetzungen einen rechtmäßigen Export personenbezogener Daten in Drittländer wie die USA. Aufgrund von vertraglichen und produktbezogenen Anpassungen durch Microsoft sowie dem jüngsten EU-Angemessenheitsbeschluss aus Juli 2023 stellt sich die Situation aktuell weniger kritisch dar: Einige Bundesländer haben M365 inzwischen eingeführt und dies durch Ergänzungen zu Microsofts Standard Auftragsverarbeitungs-Vereinbarung als auch technische-organisatorische Anpassungen flankiert.
Auch wir prüfen gerade im Rahmen einer Machbarkeitsanalyse - auch unter Risikogesichtspunkten - den möglichen Einsatz von Microsoft M365 in der öffentlichen Verwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen. Im Zuge dessen finden Gespräche mit Microsoft im Hinblick auf etwaige erforderliche Vertragsanpassungen statt. In Bezug auf den Angemessenheitsbeschluss werden ebenfalls die aktuellen Entwicklungen in den USA beobachtet. Zudem erfolgen auch Abstimmungen mit der Landesdatenschutzbeauftragten sowie dem Chief Information Security Officer des Landes Nordrhein-Westfalen.
Eine abschließende Bewertung wird nach der Machbarkeitsanalyse und der Fertigstellung der Datenschutzfolgeabschätzung erfolgen können.
NRW Magazin: Der Einsatz von öffentlich zugänglichen Anwendungen (z.B. ChatGPT, MS Copilot usw.) kann nach derzeitigem Kenntnisstand grundsätzlich nicht als rechtssicher betrachtet werden, da sowohl während der Entwicklung als auch bei der Nutzung von generativen KI-Systemen eine Vielzahl von Rechten berührt werden und aktuell keiner der Anbieter eine umfängliche Rechts-sicherheit nachweist oder sicherstellen kann. Welche rechtlichen Rahmen-bedingungen oder „Leitplanken“ für den Einsatz von KI-Systemen in Schule, Verwaltung und Verwaltungsorganisation können sich die Beschäftigten des Öffentlichen Dienst einstellen?
Staatssekretär Daniel Sieveke: Künstliche Intelligenz ist die nächste Basistechnologie. Ziel des Ministeriums für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung des Landes Nordrhein-Westfalen ist unter anderem, die Potenziale Künstlicher Intelligenz zu nutzen, um die öffentliche Verwaltung effizienter und bürgerfreundlicher zu gestalten. Aufgrund der Potentiale künstlicher Intelligenz ist zugleich ein chancenorientierter Blick auf die aktuellen Entwicklungen entscheidend. Wichtig ist daher zunächst, die Beschäftigten der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen für die kritischen Bereiche, namentlich zum Beispiel Datenschutz und vor allem Datensicherheit, zu sensibilisieren. Für KI made in Nordrhein-Westfalen haben wir mit NRW.Genius bereits einen großen Schritt gemacht. Mit der erstmaligen Erprobung eines eigenen KI-Verwaltungsassistenten legen wir den Grundstein, um die digitale Verwaltung von morgen heute schon zu gestalten.
NRW Magazin: Seit Ende Oktober 2024, kommt in der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalen eine auf Künstlicher Intelligenz basierende Verwaltungsassistenz namens „NRW.Genius“ zum Einsatz. In einer ersten Testphase sollten wichtige Erkenntnisse zur zukünftigen Nutzung von Künstlicher Intelligenz durch die Beschäftigten der Landesverwaltung in Nordrhein-Westfalen gesammelt werden. Können Sie über erste Erkenntnisse der zunächst auf vier Wochen ausgerichteten Testphase berichten? Welche nächste Entwicklungsschritte sind nun geplant?
Staatssekretär Daniel Sieveke: Ziel ist es, dass ein KI-Verwaltungsassistent zukünftig dabei helfen soll, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen Verwaltung bei vor allem zeitaufwendigen Arbeiten zu unterstützen, wie etwa bei Zusammenfassungen von Dokumenten und Texten. Mit NRW.Genius ist der Einstieg in die strukturierte Nutzung von generativer künstlicher Intelligenz in der Landesverwaltung Nordrhein-Westfalens gelungen. Die stetige Nutzung von NRW.Genius im Verlauf der Teststellung zeigt, dass eine KI-basierte Verwaltungsassistenz ein sinnvolles Tool zur Unterstützung der Beschäftigten ist. Dank des engagierten Einsatzes der Nutzerinnen und Nutzer im Test konnten zudem zahlreiche qualitative Erkenntnisse gewonnen werden, die im Rahmen der weiteren Produktentwicklung vom Landesbetrieb IT.NRW berücksichtigt werden. Schwerpunkte werden die Integration von Ansätzen zur verbesserten Nachvollziehbarkeit von KI-generierten Ergebnissen und Optimierungen sogenannter RAG-Systeme für verbesserte Rechercheergebnisse bilden. Diese und weitere Aspekte werden Bestandteil einer erweiterten Teststellung sein.
NRW Magazin: Nach dem Zukunftsvertrag für NRW soll die Digitalisierung zum Klimaschutz beitragen. Neue Rechenzentren sollen ab 2027 klimaneutral betrieben werden und alle Rechenzentren ab 2025 ein Umweltschutzmanagementsystem einführen. Wie ist der Stand hinsichtlich der Umsetzung?
Staatssekretär Daniel Sieveke: Ein gutes Beispiel dafür ist das zentrale Rechenzentrum des Landes, den Landesbetrieb Information und Technik NRW. Aktuell werden dort verschiedenen Maßnahmen ergriffen, um den Anforderungen des Zukunftsvertrags, aber auch des Energieeffizienzgesetzes gerecht zu werden. Konkret wurde damit begonnen, ein Umweltmanagementsystem und ein Eco-Management einzuführen, um den bestehenden Betrieb der verschiedenen Rechenzentrumsstandorte ökologischer und damit verbunden auch ökonomischer zu gestalten. In der Umsetzung bedeutet das, den Energieverbrauch zu mindern, Abwärme zu reduzieren sowie den Rohstoffeinsatz bei Beschaffung und Betrieb zu verringern, ohne die gesetzlichen Verpflichtungen und die vertraglich zugesicherte Leistungserbringung zu gefährden. Green IT spielt auch bei der Planung künftiger Rechenzentrumsstandorte eine wichtige Rolle. Hier bietet sich die Chance, von Anfang an das Rechenzentrum konsequent auf Green IT auszurichten.
NRW Magazin: Herr Staatssekretär, wir bedanken uns für das Gespräch.
Für weitere Impressionen vom Gespräch klicken Sie auf das Bild.