Innenminister NRW a. D. Dr. jur. Ingo Wolf zum Unglück in Euskirchen
Aus unbedeutenden „Rinnsalen“ wurden reißende Flüsse
- Foto: ©Sportstiftung NRW Sebastian Burg Dr. jur. Ingo Wolf
Der frühere Innenminister Dr. jur. Ingo Wolf lebt mitten in dem von der Flutkatastrophe betroffenen Gebiet in Euskirchen. Die DBB NRW Internetredaktion hat ihn u. a. nach dem persönlichen Erleben des Unglücks gefragt.
DBB NRW Internetredaktion: Herr Wolf, bitte schildern Sie uns Ihre Eindrücke von diesem tragischen Unglück.
Ingo Wolf: Am Katastrophenabend kehrte ich gegen 21:30 Uhr aus Köln nach Euskirchen zurück und schaffte es wegen überfluteter Straßen nur noch mühsam nach Hause. Da bei Freunden in der Nachbarschaft bereits der Keller volllief, eilten wir sofort zu Hilfe. Erst am nächsten Morgen zeigte sich das ganze Ausmaß der brutalen Zerstörung in der Kernstadt und in vielen Ortsteilen von Euskirchen – verursacht durch Wasserläufe, bei denen aus unbedeutenden „Rinnsalen“ reißende Flüsse geworden waren.
Unvorstellbare Zerstörungen mit verheerenden Schäden wurden auch in vielen anderen Städten und Gemeinden im Kreis Euskirchen angerichtet. Gott sei Dank konnte durch den mutigen Einsatz eines Bauunternehmers aus Mechernich-Floisdorf am verstopften Grundablass der Steinbachtalsperre der Dammbruch und damit letzten Endes der GAU verhindert werden.
DBB NRW Internetredaktion: Wie sind die Betroffenen mit dieser außergewöhnlich belastenden Situation umgegangen?
Ingo Wolf: Die Verzweiflung und Trauer derjenigen, die ihre Angehörigen und Freunde, ihre Wohnung und teilweise auch ihre berufliche Existenz verloren haben, sind groß, aber der Überlebenswille ist noch größer.
Die Flutopfer, ihre Nachbarn, Freunde und viele freiwillige Helfer haben mit großem, unbändigen Einsatz sofort mit den Aufräumarbeiten begonnen, um den Wiederaufbau zu starten. Der Schmerz, die Wunden und die Traumata werden die Opfer aber sicher noch lange begleiten. Umso wichtiger ist es, den Betroffenen auch weiterhin nach Kräften zu helfen.
DBB NRW Internetredaktion: Welche Lehren sollten aus der Katastrophe gezogen werden?
Ingo Wolf: Die Unterstützung nach Eintritt der Flutkatastrophe durch die Feuerwehren, Hilfsorganisationen, Polizei, THW und Bundeswehr war äußerst professionell und engagiert, wenngleich in der Koordination der Kräfte sicher Optimierungsbedarf besteht.
Viel besser werden müssen wir aber in Zukunft bei der möglichst frühen und konkreten Warnung der Bevölkerung. Neben der zeitnahen Einführung der bislang gescheiterten, flächendeckenden Warn–SMS und der weiteren Aufrüstung mit Sirenen sollte sehr viel stärker auch auf die Nutzung von Lautsprechersystemen gesetzt werden, weil diese bei einem Ausfall von Strom und Mobilfunk die einzigen verlässlichen Kommunikationsinstrumente zur Vermittlung konkreter, präziser Handlungsanweisungen an die Bevölkerung sind.
Auch wenn eine Jahrhundert-Hochwasserkatastrophe wie die im Juli nicht vollständig zu verhindern sein wird, so muss doch nach dem Hochwasserschutzkonzept für große Flüsse nun auch eines für die kleinen Flüsse und Bäche erstellt werden. Neben großzügigen Überflutungsflächen und Staubecken sind in den Bereichen ufernaher Bebauung auch verbesserte Hochwasserschutzmaßnahmen zu realisieren, um Menschenleben zu schützen und massive Gebäudeschäden zu verhindern.
DBB NRW Internetredaktion: Herr Wolf, vielen Dank für das Gespräch.