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Interview mit Bundesverfassungsrichter a.D. Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio

Grundgesetz garantiert das Berufsbeamtentum

  • Foto: DBB NRW | Dirk Borm
    Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio auf dem Gewerkschaftstag des DBB NRW in Neuss
13. Mai 2024

Der Jurist und Hochschullehrer Udo Di Fabio (Jahrgang 1954) war von 1999 bis 2011 Richter des Bundesverfassungsgerichts. Neben seiner Tätigkeit als Verwaltungsbeamter im mittleren Dienst bei der Stadt Dinslaken, absolvierte Udo Di Fabio über den zweiten Bildungsweg das Abitur. Anschließend studierte er Rechtswissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum und Sozialwissenschaften an der Universität-Gesamthochschule Duisburg, promovierte 1987 und habilitierte 1993. Heute ist er Professor und Direktor des Instituts für Öffentliches Recht (Abteilung Staatsrecht) an der Universität Bonn und Gründungsdirektor des Forschungskollegs normative Gesellschaftsgrundlagen (FnG).

NRW Magazin: An der Entstehung des Grundgesetzes in den Jahren 1948 und 1949 war der Deutsche Beamtenbund durch etwa 100 Stellungnahmen, Eingaben und Formulierungshilfen an den Parlamentarischen Rat aktiv beteiligt. Das Ergebnis seiner Arbeit findet sich heute unter anderem in der Garantie des Berufsbeamtentums des Artikels 33 Abs. 5 GG.  Welche Bedeutung hat für Sie das Berufsbeamtentum in der Gegenwart?

Prof. Di Fabio: In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird die Garantie des Berufsbeamtentums ernst genommen. Das Gericht ermahnt den Gesetzgeber in Bund und Ländern immer wieder, die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu beachten. Das gilt bei der Übertragung von Führungsämtern auf Zeit genauso wie im Hinblick auf die amtsangemessene Besoldung.

NRW Magazin: Zur Aufrechterhaltung der staatlichen Funktionalität ist eine wesentliche Säule des Berufsbeamtentums das Streikverbot. Ist aus Ihrer Sicht ein derartiges Verbot heute noch zeitgemäß?

Prof. Di Fabio: Vor zwanzig Jahren haben manche in der Tat gefragt, wozu es noch Beamter bedarf und warum es für sie ein Streikverbot gebe. Auch hier hat das Bundesverfassungsgericht mit der Bestätigung des Streikverbots die Antwort gegeben, warum eine Gesellschaft, die eine rechtsstaatliche Demokratie sein will, auf Beamte in den hoheitlichen Kernbereichen angewiesen ist – und das die Beamtinnen und Beamten auch dann für den Gesetzesvollzug verlässlich stehen müssen, wenn sich andere im Arbeitskampf befinden. Es ist lange Zeit so getan worden, als ob die Infrastruktur der öffentlichen Verwaltung und der Daseinsvorsorge keiner besonderen Pflege bedarf oder „outgesourct“ werden könne. Inzwischen wird immer deutlicher, dass mit einer effizienten Verwaltung auch die Grundlagen für eine innovative und mobile Gesellschaft gesichert werden.

NRW Magazin: Angesichts des Streikverbotes für Beamtinnen und Beamte hat das Bundesverfassungsgericht in der Vergangenheit durch verschiedene Urteile Rahmenbedingungen für eine amtsangemessene und leistungsgerechte Alimentierung der Beamtinnen und Beamten definiert. Wie schätzen Sie den Spielraum des „Dienstherren“ ein, diese Vorgaben einzuhalten oder zu umgehen?

Prof. Di Fabio: Der Spielraum ist natürlich groß, weil das Bundesverfassungsgericht nicht der Haushaltsgesetzgeber ist. Andererseits müssen bestimmte Grundsätze klar bleiben: Der Abstand zwischen den Ämtern ist auch in der Besoldung zu wahren. Qualifikation und Verantwortung, die mit dem Amt verbunden sind, müssen sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln. Außerdem hat ein erkennbarer Abstand von Besoldung und Versorgung gegenüber gegenleistungslosen Sozialleistungen zu bestehen.

NRW Magazin: Derzeit wird im Rahmen der amtsangemessenen Alimentation die Einführung eines Partnereinkommens mit der Begründung diskutiert, dass die „Eckpunktefamilie“ nicht mehr zeitgemäß sei. Offensichtlich soll damit das Abstandsgebot ausgehebelt werden. Wie ist Ihre Einschätzung zu einer solchen Vorgehensweise?

Prof. Di Fabio: Das Amtsverständnis von Art. 33 Abs. 5 GG ist individuell auf die Amtsinhaberin oder den Amtsinhaber bezogen und kann deshalb nicht sozial „kontextualisiert“ werden. Im Übrigen ist der Schutz von Ehe und Familie in Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes nach wie vor gültig.

NRW Magazin: Seit der Verabschiedung des Grundgesetzes ist die freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland traditionell von einem breiten Spektrum radikaler und extremer Kräfte in ihrer Ausgestaltung bedroht. Aber auch „Staat“ und „Politik“ tragen mit ihren Maßnahmen (z.B. Corona, Umwelt oder Migration) zu einer fortschreitenden Errosion ihrer gesellschaftlichen Akzeptanz bei. Welche Maßnahmen können, aus Ihrer Sicht, Freiheit und Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland dauerhaft sichern?

Prof. Di Fabio: Wir brauchen wieder eine Politik aus einem Guss, die für mehr Kohärenz in Krisenzeiten sorgt. Die Krisen und die kriegerische Verwandlung der geopolitischen Ordnung zwingen dazu, vieles neu zu denken. Insofern ist der Begriff der Zeitenwende nicht nur verteidigungspolitisch gemeint und gewiss mehr als eine rhetorische Formel. Nachhaltigkeit ist eine kluge Überlegung nicht nur im Hinblick auf Umwelt und Klimaschutz, sondern auch, was die gesellschaftlichen und kulturellen Grundlagen eines Landes angeht. Bessere politische Bildung tut glaube ich Not, aber auch eine Politik, die sich zu erklären versteht und die ohne Überschüsse von Ideologie die Rahmenbedingungen für Freiheit und Wohlstand sichert.

NRW Magazin: Der Öffentliche Dienst ist der Kitt, der die Gesellschaft zusammenhält. Ohne die Umsetzung der gesetzlichen Rahmenbedingungen unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens wären nicht nur Sicherheit, Soziales und Bildung gefährdet, wahrscheinlich würden Willkür, Anarchie und Profitgier zu einem „Recht des Stärkeren“ führen. Wie sehen Sie den Öffentlichen Dienst für die Zukunft gut aufgestellt?

Prof. Di Fabio: In den letzten Jahrzehnten haben wir mit einer gewissen Sorglosigkeit von Ressourcen gelebt, in deren Erhaltung nicht hinreichend investiert wurde. So wie die Menschen mit der Umwelt umgegangen sind, so haben sie es auch mit den grundlegenden Institutionen einer freien Gesellschaft getan. Was immer funktioniert, wird nicht gepflegt. Inzwischen mehren sich die Signale für ganz erhebliche Defizite. Wir müssen einerseits realistischer sein, was die Leistungsfähigkeit auch der öffentlichen Verwaltung bei der Übertragung immer neuer Aufgaben angeht und wir müssen mehr investieren, gerade damit Kernaufgaben wie innere und äußere Sicherheit, Bildung und Wissenschaft, professionelle Gesetzesanwendung einer bürgernahen Verwaltung oder im Hinblick auf eine funktionierende Gesundheitsversorgung erhalten bleiben.

Das Interview führten Roland Staude und Marcus Michel

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